Postkoloniale Theorien bei Sein & Streit

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Brigitte Winkelmann
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Registriert: Sa 25. Nov 2023, 09:54

Postkoloniale Theorien bei Sein & Streit

Beitrag von Brigitte Winkelmann »

Bei Sein&Streit ging es um aktuelle Debatten zu Postkolonialen Theorien auch in Bezug auf den Angriff der Hamas, Antisemitismus und die Reaktion der "Linken" darauf.

Eingeleitet wird mit:
"wovon ich überzeugt bin [...] dass es nicht besonders strategisch klug ist, die Kritik an manchen Dingen einer feindseligen Seite zu überlassen"

Mich würde eure Einschätzung, Meinung und Kritik zum Podcast interessieren.
https://www.deutschlandfunkkultur.de/ga ... 3-100.html
Martin Koradi
Beiträge: 8
Registriert: So 26. Nov 2023, 10:45
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Re: Postkoloniale Theorien bei Sein & Streit

Beitrag von Martin Koradi »

Ich finde das Gespräch grundsätzlich interessant und insbesondere von Floris Biskamp konnte ich auch einiges mitnehmen.

Mein Gesamteindruck von diesem Gespräch ist aber sehr zwiespältig. Ich frage mich, ob die drei Beteiligten den Ernst der Lage erfasst haben. Es kamen zwar da und dort einzelne Kritikpunkte zur Sprache, doch die meines Erachtens brisantesten Fragen wurden nicht gestellt oder nicht vertieft. Zum Beispiel:

☛ Wie kommt es, dass an vielen Universitäten ganze Institute antisemitisch eingefärbt sind (in der Schweiz z. B. an den Unis Bern und Basel)? Und was genau hat das allenfalls mit blinden Flecken und Einseitigkeiten in den Theorien des Postkolonialismus zu tun?

☛ Woher kommt dieser ausgeprägte Manichäismus, der sich insbesondere im Postkolonialismus und in den Gender Studies offenbar etabliert hat - und sie in die Nähe religiöser Vorstellungen rückt. Woher kommt diese krasse Gut-Böse Spaltung, die Differenzierung vermissen lässt?

☛ Wo hört da Wissenschaft auf und wo fängt Ideologie oder Religion an?

Vielleicht sind die drei Beteiligten zu nah an diesen Theorien und erkennen deshalb die Brisanz nicht. Das Gespräch plätschert in einer akademischen Bubble daher, in welcher man sich offenbar gegenseitig nicht allzu fest in die Suppe spuckt.

Als aussenstehender Staatsbürger finde ich diese extremistische Aufladung an Unis ungeheuerlich. Ich will keine derartig radikalisierten und verblendeten Akademikerinnen und Akademiker in den Medien, in NGOs und in Bildungsinstitutionen.

Eine kritischere Sicht auf das Thema Postkolonialismus und Antisemitismus gibt hier:

☛ Vortrag von Julian Bierwirth am 11. Dezember 2023:
Der blinde Fleck. Warum die traditionelle und postkoloniale Linke Antisemitismus so schwer erkennt
https://www.youtube.com/watch?v=-jfM7ukt8rY

☛ Texte und Vorträge dazu gibt’s auch von Ingo Elbe:
Postkolonialismus und Antisemitismus
https://www.youtube.com/watch?v=t_aE3yabckU&t=854s

Antisemitismus im postmodernen Antirassismus
https://www.youtube.com/watch?v=TVnYSLMXy3A

Postmoderner Antisemitismus – Judenfeindschaft als „Wokeness“ – Vortrag von Dr. Ingo
https://www.youtube.com/watch?v=olTsLn9GqBg

Postkolonial gegen Israel (Text von Ingo Elbe)
https://www.mena-watch.com/postkolonial ... gKrjPD_BwE


☛ Informative Vorträge gibt’s von Stephan Grigat, auch zur Geschichte des Nahostkonflikts. Beispielsweise:
Antisemitismus & Nahostkonflikt | Prof. Stephan Grigat | FU Berlin | 23.05.2022
https://www.youtube.com/watch?v=tADWb9FIs8Q

Arabisch-Israelische Annäherung seit 1948 und die aktuelle Situation
https://www.youtube.com/watch?v=bvLkn882FFs
Henk de Lamper
Beiträge: 40
Registriert: Sa 2. Dez 2023, 15:59
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Re: Postkoloniale Theorien bei Sein & Streit

Beitrag von Henk de Lamper »

https://www.nzz.ch/feuilleton/ist-die-w ... ld.1772505

Passt auch dazu.
Ein typischer NZZ-schwarz-weiß-hetz-Artikel.
Lukas Salm
Beiträge: 2
Registriert: Sa 20. Jan 2024, 19:29

Re: Postkoloniale Theorien bei Sein & Streit

Beitrag von Lukas Salm »

Hallo Martin,

Danke für deine Ausführungen und die Links. Ich bin die Quellen noch nicht alle durchgegangen.
Ich habe mich beim Lesen deines Texts gefragt, wie du zu den Annahmen in deiner ersten Frage gekommen bist:
"Wie kommt es, dass an vielen Universitäten ganze Institute antisemitisch eingefärbt sind (in der Schweiz z. B. an den Unis Bern und Basel)?"
Welche Institute meinst du da genau? Wie kommst du zur Annahme, dass diese Institute komplett antisemitisch eingefärbt sind?
Danke für deine Antwort!
Martin Koradi
Beiträge: 8
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Re: Postkoloniale Theorien bei Sein & Streit

Beitrag von Martin Koradi »

@ Lukas Salm

Hallo Lukas,

Hier weitere Infos zu den Vorfällen an den Unis in Bern und Basel:

☛ An der Uni Bern hat ein Dozent am Institut für Studien zum Nahen Osten und zu muslimischen Gesellschaften (ISNO) auf X das Hamas-Massaker am 7. Oktober als Geburtstagsgeschenk gefeiert. Weitere antisemitische Tweets wurden bekannt. Die Tweets waren mit Angabe der Funktion und der Universität versehen.

Die Co-Institutsleiterin stellte sich hinter den Dozenten, fand die Tweets «inopportun» aber nicht antisemitisch. Sie ist die Ehepartnerin des Dozenten, unterstützt die BDS-Bewegung und likte ausgerechnet am 7. Oktober einen Tweet, der den palästinensischen Widerstand mit der Verteidigung der Ukraine gegen Russland vergleicht.
Die beiden haben ihre diesbezügliche Haltung nicht versteckt und sich damit offensichtlich sicher gefühlt. Da fragt sich halt schon: Warum ist das im näheren universitären Umfeld niemandem aufgefallen? Warum hat niemand reagiert? Warum hat niemand stopp gesagt? Sieht so aus, als sei das als normal empfunden worden an diesem Institut. In einer Vorlesung soll dem Staat Israel das Existenzrecht abgesprochen worden sein, was aber laut dem Generalsekretär erst nach dem Bekanntwerden der Tweets zum Rektorat vorgedrungen sei. Sieht nach verschworener Gemeinschaft aus, die wenig nach aussen dringen lässt.
Macht mir schon den Eindruck, das Institut sei antisemitisch / postkolonial imprägniert.

Die Uni Bern hat auf die Vorfälle jedoch konsequent reagiert, die Tweets scharf verurteilt, den Dozenten entlassen, eine externe Untersuchung eingeleitet und die Institutsleiterin bis zum Abschluss der Untersuchung freigestellt.

Aus der politischen Arbeit hatte ich allerdings Kontakt zu Islamwissenschaftlerinnen und zu Politikwissenschaftlern der Uni Bern, die voll auf postkoloniale Ideologie standen. Das Problem beschränkt sich nicht auf dieses Institut.

Pressemeldungen dazu:
https://www.srf.ch/news/schweiz/uni-ber ... n-fristlos
https://www.20min.ch/story/feierte-den- ... 9073958349

☛ An der Universität Basel ist der Fachbereich Urban Studies nach Medienrecherchen in die Kritik geraten, weil Studierende nach dem 7. Oktober auf der Uni-Website ein Statement veröffentlichten, in dem sie sich mit dem palästinensischen Volk solidarisierten, Israel die alleinige Schuld für die Gewalteskalation gab, den Terrorangriff der Hamas aber mit keinem Wort erwähnten. Es wurde eine Reihe von weiteren Vorfällen bekannt. Ein Doktorand behauptete in seiner Dissertation, Israel setze bewusst Wildschweine aus, um die Ernten der Palästinenser zu zerstören. Auf den universitären Social-Media-Kanälen wurden postkoloniale politische Botschaften verbreitet.

Die Uni Basel hat nur eine interne Untersuchung (Dekanat) veranlasst. Ein ernsthafter Wille, die Missstände zu ergründen, lasse der Bericht nicht erkennen, schreibt die NZZ.

Interner Untersuchungsbericht der Universität Basel:
https://www.unibas.ch/dam/jcr:6434ff80- ... 240124.pdf

Medienberichte:
Betreiben die Urban Studies an der Universität Basel politischen Aktivismus? Eine interne Untersuchung zeichnet ein beschönigendes Bild (NZZ):
http://web.archive.org/web/202401270327 ... ld.1776025

Die Probleme der Urban Studies haben System (BZ):
https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stad ... ld.2571905

Untersuchung zu Urban Studies: Uni Basel anerkennt Probleme im eigenen Studienbereich (BAZ):
https://www.bazonline.ch/uni-basel-erke ... 6717081897
Lukas Salm
Beiträge: 2
Registriert: Sa 20. Jan 2024, 19:29

Re: Postkoloniale Theorien bei Sein & Streit

Beitrag von Lukas Salm »

Danke für deine ausführliche Antwort.
Was diese Fragen betrifft:
"Warum ist das im näheren universitären Umfeld niemandem aufgefallen? Warum hat niemand reagiert? Warum hat niemand stopp gesagt?"
Ich denke, dass es auch eine andere Interpretation gibt, die ähnlich wie in der Sinologie/Chinastudien gelagert ist. Bei der Vermeidung öffentlicher, politischer Positionierungen, die konträr zur kPC gehen, geht es dort bspw auch um Zugang zum Feld und der chinesischen Fachöffentlichkeit über die das Ministerium für Staatssicherheit qua Visum souverän entscheiden kann.
Siehe zB diesen Fall: https://www.nzz.ch/schweiz/hsg-und-chin ... duced=true
Auch in den entlegendsten Winkeln der Welt haben Menschen Zugang zum Internet und können zB die Namen von Wissenschaftlern oder wissenschaftlichen Einrichtungen googlen und etwaige Pressemitteilungen gegen Antizionismus übersetzen. Schweigen bedeutet hier nicht unbedingt Zustimmung, da es andere Gründe geben kann sich gegen öffentliche Positionierungen zu entscheiden als sie zB für einen Teilchenphysiker gegeben wären.
Macht das Sinn? :)
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