Energiewende - kann das gehen?

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Norbert Aust
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Registriert: Mi 22. Nov 2023, 22:23

Energiewende - kann das gehen?

Beitrag von Norbert Aust »

Gibt es hier Gleichgesinnte, die Interesse an diesem Thema haben?

Aus meiner Sicht ist dies ein Thema für uns Skeptiker. Das, was sich derzeit in der Energiepolitik abspielt, beruht aus meiner Sicht auf dem Mythos, dass wir Deutschland so umgestalten können, dass wir (a) im Prinzip so weiterleben und unseren Lebensstandard halten können wie bisher, aber (b) unseren Energiebedarf dabei weitestgehend aus erneuerbaren Energien, also klimaneutral decken können. Wenn dieser Mythos sich aber nicht bewahrheitet, dann bewegen wir uns jetzt in eine falsche Richtung und vergeuden unsere knappen Ressourcen anstatt neue Lösungen zu suchen.

Ich konzentriere mich bei meinen Betrachtungen auf die Elektrizitätswirtschaft, schließlich soll elektrischer Strom ja die hauptsächliche Endenergieform sein, mit der auch Sektoren bedient werden, die heute noch mit fossilen Energieträgern betrieben werden (Verkehr, Heizung ...).

In meinem Vortrag auf der Skepkon in Augsburg hatte ich ja schon einmal meine Zweifel dargelegt (https://www.youtube.com/watch?v=d0cVfksFb-Q). Heute bin ich dabei, dieses viel detaillierter anhand der Fülle der Daten im Internet zu untersuchen. Insbesondere geht es darum, ob die getroffenen Maßnahmen ausreichen, um in den vorgesehenen Zeiträumen zu einem klimaneutralen Deutschland zu kommen - und ob diese Maßnahmen überhaupt in die richtige Richtung führen.

Wer beschäftigt sich sonst noch mit ähnlichen Themen?
amardeo
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Registriert: Fr 17. Nov 2023, 10:46

Re: Energiewende - kann das gehen?

Beitrag von amardeo »

Da mache ich gern mit. Du sprichst unter (a) und (b) die Ziele an. Nach meiner Einschätzung kann man in kurzer Zeit beide nicht gleichzeitig erreichen.

Ich formuliere die Ziele anders, wobei ich dabei anmerke, dass diese Ziele politisch und nicht wissenschaftlich sind denn der Wissenschaft sind unsere Ziele egal, weder unser Wohlstand noch das Schicksal unseres Planeten.

Ich verschärfe (a) sogar und meine, das (politische) Ziel sollte sein, den Wohlstand weltweit anzuheben. Das heißt u.a. (Landwirtschaft ist ein separates Thema), dass wir mehr Energie brauchen wollen. (b) ist kein Ziel sondern ein Mittel, so dass ich diesen ganz anders formulieren würde. Wir müssen unseren Wohlstand 1) effizienter und 2) Nebenwirkungsärmer (auch viel weniger CO2) erreichen.

Dafür empfehle ich die sogenannte Kaya-Identität, sie auch diesen Link: https://ourworldindata.org/grapher/kaya-identity-co2. 1) sollten wir machen, hilft aber nur zum Teil - sicher keine 90%. Für 2) müssen wir weg von dem selektiven Fokus auf beschränkte Mitten ("Erneuerbare") und hin zu kohlenstoffarm (low-carbon). Das heißt - neben Solar und Wind - mindestens noch Wasserkraft, Kernkraft und Geothermie.

Historisch gesehen ist eine Dekarbonisierung am schnellsten mit Wasserkraft und Kernkraft gelungen. Wir sehen in https://app.electricitymaps.com/map wie Deutschland hinterherhinkt. Man hat weitgehend nur eine kohlenstoffarme Energiequelle (Kernkraft) mit einer anderen (Solar/Wind) ersetzt.
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Amardeo Sarma
amardeo
Beiträge: 3
Registriert: Fr 17. Nov 2023, 10:46

Re: Energiewende - kann das gehen?

Beitrag von amardeo »

Hier ist noch eine Veröffentlichung von Seaver Wang et al. "Future demand for electricity generation materials under different climate mitigation scenarios". https://www.sciencedirect.com/science/a ... 5123000016

Kurz aus dem Summary: "Hier schätzen wir den Bedarf an Materialien für die Stromerzeugungsinfrastruktur und die damit verbundenen Kohlendioxid-Äquivalent-Emissionen (CO2eq) von 2020 bis 2050 in 75 verschiedenen Klima-Energie-Szenarien und untersuchen die Auswirkungen von Klima- und Technologieentscheidungen auf den Materialbedarf und die Kohlenstoffemissionen. Die Materialnachfrage steigt, übersteigt aber insgesamt nicht die geologischen Reserven. Die jährliche Produktion von Neodym (Nd), Dysprosium (Dy), Tellur (Te), Glasfasern und solarem Polysilizium muss jedoch möglicherweise erheblich gesteigert werden."

Es wird also nicht leicht.
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Amardeo Sarma
Norbert Aust
Beiträge: 6
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Re: Energiewende - kann das gehen?

Beitrag von Norbert Aust »

Hallo Amardeo,

da habe ich mich wohl etwas missverständlich geäußert: (a) und (b) hatte ich nicht alsmZiel formuliert, sondern als Betsandteil des Mythos, der die deutsche Energiewende umgibt. Und mein Ziel ist, (zumindest) mir KLarheit zu verschaffen, ob und wie das möglich sein kann.
amardeo
Beiträge: 3
Registriert: Fr 17. Nov 2023, 10:46

Re: Energiewende - kann das gehen?

Beitrag von amardeo »

Hallo Norbert,

ja, ich sehe das auch so: (a) und (b) zusammen gehen in ansehbare Zeit (dieses Jahrhundert) und global nicht.

Es ist ein globales Problem, kein deutsches. Deutschland liegt im Ergebnis der bisherigen Politik in Europa in Sachen Emissionen ganz hinten liegt. Wir emittieren mehr CO2 als die meisten anderen europäischen Länder und bürden Haushalte (mit Dänemark) die höchsten Kosten auf.
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Amardeo Sarma
Philippe Leick
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Re: Energiewende - kann das gehen?

Beitrag von Philippe Leick »

Hallo Norbert und Amardeo,

ich gehöre definitiv zu den Gleichgesinnten mit großem Interesse an diesem Thema und denke, die GwUP kann und sollte sich dazu äußern. Ohne Zweifel stehen wir mit den Zielen (Klimawandel, Transformation einer Lebensart, die keinen oder nur noch wenig Schaden an der Umwelt anrichtet und das mindestens mit Erhalt unseres Wohltands) vor einer enormen Herausforderung.

Norbert, wenn du von "Mythen der Energiewende sprichst", dann beziehst du dich ja auch auf (vermeintlich) wissenschaftliche Studien, die aufgrund von falschen oder unvollständigen Annahmen oder ungeeigneter Methoden zu zweifelhaften Ergebnissen kommen. Die Qualität von vermeintlicher Wissenschaft zu bewerten ist aber GwUP-Kernkompetenz!
Norbert Aust
Beiträge: 6
Registriert: Mi 22. Nov 2023, 22:23

Re: Energiewende - kann das gehen?

Beitrag von Norbert Aust »

Hallo Philippe, hallo Amardeo,

es gibt, soweit ich weiß, fünf oder sechs große Studien, in denen die Umsatzbarkeit der Energeiewende untersucht wird. Sie alle gehen aus meiner Sicht von sehr optimistischen Annahmen aus - etwa dass man den in Deutschland fehlenden Strom jederzeit importieren könnte - und zu dem Schluss kommen, dass dies umsetzbar ist. Diese alle sind, so wie Anna-Veronika Wendland auf der letzten MV von RePlanet sagte, von der Bundesregierung just mit dem Ziel in Auftrag gegeben wurden, die Machbarkeit aufzuzeigen.

Darüber hinaus scheint es mir - und dass ist mein Ansatz - dass die zeitliche Dimension kaum beachtet wird. Es genügt einfach nicht, dass man in der Jahres-Gesamtbetrachtung Erzeugung und Bedarf zur Deckung gebracht hat, dies muss auch zu jedem einzelnen Zeitpunkt der Fall sein. Und da liegt das Problem: Windanlagen können so leistungsstark und effektiv sein, wie sie wollen - wenn der Wind nicht weht, liefern sie keinen Strom. Für Solaranlagen gilt das Gleiche. Größere Bemühungen um großtechnische Speicher - in Summe im TWh-Bereich - die dafür notwendig wären, sind jedenfalls nicht erkennbar.

Ich habe mir jetzt vorgenommen, dies aufzuzeigen. Dazu bin ich dabei, anhand der vielen Daten, die im Netz verfügbar sind, zu Klimadaten, zum Strombedarf, aber auch zu Kraftwerken und Übertragungsnetzen eine Simulation des deutschen Übertragungsnetzes aufzubauen. Gerade eben habe ich erreicht, dass der erste Rechendurchlauf zwar mit realen aber noch mit nicht ganz vollständigen und nicht aktuellen Datensätzen funktiniert hat. Ziel ist, in hoher zeitlicher Auflösung Stroimerzeugung, Übertragung und Verbrauxch simulieren zu können - und dabei verschiedene Szenarien durchspielen zu können. Etwa, wie es sich auswirkt, wenn man die Erneuerbaren erheblich ausbaut, aber auch, wenn man zusätzlichen Verbauch installiert, etwa in Form von Elektroautos oder Wärmepumpen.

Wie gesagt - die Rechnung funktioniert. Ich muss jetzt eine vernünftige Benutzeroberfläche erstellen und natürlich die Daten aktualisieren und komplettieren. Bei Interesse stelle ich Euch das gerne mal in einer Videokonferenz vor.
Philippe Leick
Beiträge: 12
Registriert: Di 28. Nov 2023, 22:29
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Re: Energiewende - kann das gehen?

Beitrag von Philippe Leick »

Hallo Norbert,

eine Videokonferenz zur Diskussion deines spannenden Ansatzes: sehr gerne! Vielleicht gibt es ja neben Amardeo und mir noch weitere interessierte/kompetente Teilnehmer?

Um auf den zeitlichen Aspekt kurz einzugehen - und das ist jetzt natürlich keine belastbare Analyse. Bei fluktuierenden Stromproduzenten wie PV und Wind helfen Speicher und Vernetzung (also Transportmöglichkeiten für den Strom), auf der Nachfrageseite hilft vielleicht auch eine Priorisierung, die zumindest teilweise schon über den Strompreis geschehen kann. Aber es führt wohl kein Weg daran vorbei, dass eine gewisse Überkapazität installiert werden muss und eine Restwahrscheinlichkeit bleibt, dass trotz alldem die Nachfrage nicht gedeckt werden kann (... lange Dunkelflaute).

Um Veronika Wendlands Gedanken aufzugreifen: wie stark entspannt sich dieses Problem, wenn ein Teil der Stromproduktion durch steuerbare bzw. zur Grundlast beitragende Techniken - z.B. Kernkraft - bereitgestellt wird?
ThomasRoth
Beiträge: 1
Registriert: Mi 6. Mär 2024, 19:24

Re: Energiewende - kann das gehen?

Beitrag von ThomasRoth »

Ich habe 30 Jahre lang als System-Analytiker, Modelle für die Echtzeitsimulation von Kernkraftwerken gepflegt, entsprechend den Realanlagen nachgerüstet, korrigiert und auch komplett neu erstellt.
1999 haben wir Blackout Szenarien simuliert um die Schichten auf das befürchtete Y2K Problem vorzubereiten.
2011 oder 2012 habe ich die elektrischen Verteilungssyteme für den Simulator BoA3 (die Braunkohle optimierte Anlage am Niederrhein) programmiert, 2019/2020 für den Simulator V07 des Voestalpine Stahlwerks in Linz.

Ich habe vor einiger Zeit begonnen, eine Simulation zum Elektrolysebad in der Aluminium Produktion zu schreiben. Ich habe das Projekt irgendwann abgebrochen, als ich angefangen habe, entsprechende Fachpublikationen zu lesen. Ich kann nicht als Hobby- Einzelmodeller mit Forschungsgruppen universitärer Einrichtungen mithalten.

Die Oberfläche meines Programms (Python) könnte brauchbar sein.


Die Firma DUtrain in Duisburg, betreibt professionelle Simulatoren für Elektrische und Gasleitungs Netzwerke zu Schulung und Forschung.

Im Portfolio der Firma GSE Systems gibt als Teil der JADE- Suite (Java Application & Development Environment) es den Code Generator JElectric, der in Kombination mit der Entwicklungsumgebung SIMEXEC echtzeitfähig ist.

Es ist nicht so, dass ich als Rentner nichts zu tun hätte, aber Simulation ist besser als eine elektrische Eisenbahn im Keller.
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